Mein Truppenbesuch im Januar 2024 Die Ukraine braucht Luftabwehr und Taurus-Marschflugkörper

Anfang des Jahres war hier eine russische Rakete eingeschlagen. Copyright: Defence Intelligence of Ukraine

Seit dem russischen Überfall auf die Ukraine unterstützen wir deren Streitkräfte und Zivilbevölkerung über verschiedene Netzwerke, darunter unseren Verein Ratzeburg Hilft e.V. Dazu fahre ich jeden Winter einen humanitären Hilfstransport ins Land und spreche mit Menschen in verschiedenen Regionen des Landes.

Diesmal stand mein Truppenbesuch im Vordergrund. Dazu hatten alle großen Lübecker Kirchen etwa 150 kg Kerzenreste gespendet. Diese wurden von Ukrainerinnen in Ratzeburg eingeschmolzen und zu 30.000 Paraffin-Pads verarbeitet. Mit einem einzigen Pad kann ein Soldat im Schützengraben sich bis zu 10 Minuten lang die Hände aufwärmen oder einen Tee kochen. Außerdem hatten wir Thermokleidung und Kampfstiefel gekauft. Rollstühle und Medikamente für ein Krankenhaus hatte ich ebenso geladen wie eine halbe Palette Niederegger Marzipan vom Lübecker Flüchtlingshilfe e.V. für Schulkinder.

In der Hauptstadt Kyiv nimmt sich ein Freund vom militärischen Nachrichtendienst zwei Tage Zeit für mich. Er führt mich zu den Wohnblocks, die nur wenige Tage zuvor bei einem russischen Luftangriff getroffen worden waren. Wir sprechen mit Bewohnern, einer zeigt uns, was von seiner Wohnung übrig geblieben ist. Ich merke bald, dass er noch unter Schock steht. Er war von berstenden Fensterscheiben aus dem Schlaf gerissen worden. Seine Nachbarin zwei Treppen höher hat den Angriff nicht überlebt. Wir besuchen auch ihre Wohnung. Der Anblick verkohlter Wände und der Geruch nach Verbranntem lassen mich nicht mehr los.

Natürlich verweilen wir auch auf dem zentralen Unabhängigkeitsplatz (Maidan Nezalezhnosti), wo in der Eiseskälte ein Meer aus unzähligen Fähnchen weht, jedes Fähnchen erinnert an einen Verteidiger, der sein Leben für die Freiheit lassen musste. Mir ging das sehr nahe. Vor zehn Jahren waren hier die ersten friedlichen Demonstrant:innen von moskautreuen Scharfschützen erschossen worden. Damit begann Russland seinen Krieg gegen die Ukraine. Es folgten die gewaltsame Okkupation der Krym und die Errichtung von Terrorregimen im Osten des Landes. Seitdem bringt Russland Gewalt, Zerstörung und Tod über die Ukraine.

Ich bezweifele, dass man hierzulande verstanden hat, worum es Russland eigentlich geht. Es geht nicht um ein paar Gebiete. Es geht auch nicht nur um ein paar Nachbarländer. Der Schulterschluss, den Russland mit Diktaturen aller Couleur sucht, zeigt, dass es um eine neue, sogenannte multipolare Weltordnung geht, in der die Großmächte untereinander aushandeln, wie die Kleinen aufgeteilt werden. Dabei sind Aggression nach außen und Repression nach innen nur zwei Seiten einer Medaille, wie auch die inneren und äußeren Feinde der Demokratie nicht mehr zu trennen sind.

Die Zaghaftigkeit und Ängstlichkeit, auf die der Kreml in Deutschland trifft, ermuntert ihn nur in seiner aggressiven Haltung den Demokratien gegenüber. Wie real diese Bedrohung auch für unsere Gesellschaft ist, zeigt sich in den verfassungsfeindlichen Aktivitäten rechter Kreise, die ideologisch und zum Teil auch schon persönlich mit Moskau verbunden sind. Die Wehrhaftigkeit unserer Demokratien nach innen und außen steht damit zur Disposition. Der russische Krieg richtet sich letztlich gegen unsere offene Gesellschaft, gegen die Universalität der Menschenrechte und gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung.

Es ist für uns nicht nur eine Frage der Humanität, sondern eine Überlebensfrage, die Ukraine in ihrem Kampf um Selbstbestimmung so zu unterstützen, dass die Invasionstruppen militärisch dazu gezwungen sind, sich vom Territorium der Ukraine zurückzuziehen.

 

Acht Tage nach dem russischen Raketenangriff auf Kyiv.

Humvee mit Panzerabwehrwaffe der Ukrainischen Armee